
Gespräche am Familientisch: 8 Tipps & Ideen für eine entspannte Zeit beim Essen
Ein Artikel von Alicia Metz-Kleine
„Wie war’s im Kindergarten?“ Es gibt Kinder, die antworten auf solche Fragen mit einem knappen „Gut.“ und belassen es dabei und es gibt Kinder, die erzählen so viel und aufgeregt, dass sie dabei ganz vergessen zu essen. So oder so ist das Thema Tischgespräche eines, das viele Familien beschäftigt. Deswegen beleuchten wir das heute mal ein bisschen genauer und teilen einige ganz konkrete Tipps für Gespräche am Familientisch.
Beim Essen spricht man nicht – Doch!
Die Zeiten, in denen man am Esstisch nicht sprechen durfte oder nur nach Aufforderung, sind zum Glück vorbei. Denn das gemeinsame Essen am Familientisch ist mehr als nur eine Möglichkeit, satt zu werden. Das habe ich hier schon häufiger geschrieben. Es ist eine wertvolle Gelegenheit, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und die familiäre Bindung zu stärken. Und dabei spielen die Gespräche am Familientisch eben eine wichtige Rolle. Aber warum sind Tischgespräche eigentlich so wichtig?
Gespräche am Familientisch bieten einen guten Raum im vollen und wilden Alltag. Alle Familienmitglieder können zusammenkommen, sich aufeinander konzentrieren und erzählen, was sie gerade beschäftigt. So fühlt sich jede*r gehört und gesehen. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass regelmäßige Gespräche beim Familienessen die emotionale Gesundheit von Kindern stärken können. Kinder lernen durch positive Erfahrungen, dass der Familientisch ein sicherer Ort ist, um Sorgen und Freuden zu teilen.
Dabei ist es wichtig, dass kein Stress entsteht oder Streitgespräche während des Essens stattfinden. Eine entspannte Atmosphäre am Familientisch ist so wichtig. Gemeinsames Essen sollte Spaß machen und eine schöne Erfahrung sein. Wenn du merkst, dass eine solch eher kritische Situation entsteht, sollte man das Gespräch entweder auf einen späteren Zeitpunkt verschieben oder sich kurz dafür die Zeit nehmen und das Essen unterbrechen. Was da genau für euch als Familie die richtige Lösung ist, hängt von vielen Faktoren ab (z.B. vom Alter der Kinder, der Familienkonstellation, der Schwere des Themas…) und ist sehr individuell. Das heißt
übrigens nicht, dass es immer nur harmonisch am Familientisch zugehen muss. Wir bleiben ja realistisch. 🙂 Um auch mal schwierige Themen zu besprechen oder viele organisatorische Dinge zu klären, kann übrigens eine wöchentliche Familienkonferenz eine schöne Idee sein. Meine Familie und ich machen das jeden Sonntagnachmittag vor dem Abendessen. Dabei sprechen wir darüber, wie es uns geht, was wir gerade brauchen und wir planen die nächste Woche. Oft machen wir auch direkt die Essensplanung. Bei Susanne Mierau gibt es für Familienkonferenzen schöne Vorlagen.
Zurück zum Lernen – auch was die Kommunikation angeht, sollten wir Eltern am Familientisch Vorbilder sein, z.B. durch aktives Zuhören, das Teilen von eigenen Geschichten und Emotionen, das Stellen offener Fragen und den respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander. Kinder gucken sich all das ab. Das betrifft übrigens auch die Essgewohnheiten.
Gespräche am Familientisch und gute Ernährung
Wenn wir gemeinsam am Tisch sitzen, uns Zeit nehmen, uns unterhalten und dabei in Ruhe essen, führt das dazu, dass wir alle achtsamer essen. Und das wiederum führt nachweislich dazu, dass wir uns ausgewogener und gesünder ernähren. Kinder lernen vor allem durch Vorbildlernen und Imitation – es ist deswegen immer gut, auch sein eigenes Verhalten anzuschauen und zu reflektieren. Bleibst du sitzen und isst in Ruhe oder stehst du dauernd auf und holst noch etwas? Ist das Smartphone in Reichweite und bist du dadurch abgelenkt?
Wenn wir am Tisch miteinander sprechen, wird das Tempo des Essens automatisch verlangsamt. Kinder (aber auch wir Erwachsenen) spüren dadurch besser, wie uns das Essen bekommt, wie es schmeckt und wann wir satt sind.
Wir können das gemeinsame Familienessen natürlich auch immer mal wieder dazu nutzen, um über Essen und Lebensmittel zu sprechen, z.B. über die Herkunft von Zutaten oder deren Zubereitung. Kinder sind neugierig und wollen dann oft mehr darüber wissen und erzählen auch häufig gerne von ihren eigenen Erfahrungen. Die Beschäftigung mit diesen Themen kann die Neugier von Kindern wecken, was sich langfristig auf eine gute Beziehung zur eigenen Ernährung auswirkt. Denk auch hier wieder an das eigene Verhalten: Probierst du ab und zu neue Lebensmittel? Erzählst du von eigenen Vorlieben und Abneigungen? Auch das kann Kinder dazu ermutigen, neue Lebensmittel zu probieren. (Zum Thema Gemüse bzw. kein Gemüse 😉 gibt es übrigens ein ganzes eBook.)
Tipps, um mit Kindern am Familientisch ins Gespräch zu kommen
Manchmal ist es aber gar nicht so leicht, ins Gespräch zu kommen. Vielleicht sind alle müde oder nicht so gut gelaunt. Vielleicht erzählt dein Kind auch von sich aus nicht so viel. Das sollte man natürlich unbedingt berücksichtigen und niemanden dazu zwingen, etwas zu erzählen. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die man mal ausprobieren kann:
Rituale:
Viele Kinder mögen Rituale und kennen sie auch bereits aus dem Kindergarten oder der Schule. Dort gibt es auch häufig einen Morgenkreis oder einen Erzählstuhl oder Ähnliches. Das könnt ihr auch Zuhause etablieren. Beginnt das Essen beispielsweise mit einer kurzen Runde, in der jede:r etwas erzählt. Kindern fällt das häufig leichter, denn die Erwachsenen damit anfangen oder wenn man eine Frage vorgibt, z.B.: „Was war heute das Schönste für dich?“
Die Themenauswahl:
Über konfliktbeladene oder schwierige Themen sollte man besser nicht sprechen. Bei der einen Familie könnten das Schulnoten, Hausaufgaben oder Zimmer aufräumen sein. Bei der anderen etwas anderes. Das weißt du natürlich am besten. Achte bei der Themenauswahl darauf, denn manche Themen können im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlagen.
Kinder einbeziehen:
Lass die Kinder Themen oder Spiele vorschlagen, z. B. „Was wäre, wenn …“-Fragen. Das gibt ihnen ein Gefühl von Verantwortung und Mitbestimmung.
Hilfsmittel:
Es gibt auch einige Hilfsmittel, die ein Gespräch in Gang bringen können. Auf ganz spielerische Art und Weise. Zum Beispiel Kommunikationskarten. Man kann entweder fertige kaufen (eine schöne Auswahl gibt es z.B. bei Etsy) oder selbst welche gestalten.
Offene Fragen stellen:
Ohne es zu merken, stellen wir oft Ja-Nein-Fragen. Diese nennt man auch geschlossene Fragen. Kein Wunder, dass so kein Gespräch entsteht. Statt „War es heute schön im Kindergarten?“ frag lieber: „Was hat dir heute im Kindergarten am meisten Spaß gemacht?“ oder “Was und mit wem hast du heute gespielt?“ Solche offenen Fragen regen zum Erzählen an.
Technikfreie Zone:
Smartphones, Tablets oder Fernseher sollten während des Essens tabu sein. So bleibt der Fokus auf dem Miteinander. Das gilt auch für die Erwachsenen! Aber natürlich darf es (auch regelmäßige) Ausnahmen wie einen Filmabend geben.
Über das Essen sprechen:
Wie oben schon erwähnt, kann auch das Essen selbst ein gutes Thema sein. Frag nach: „Wie schmeckt dir das? Was würdest du anders machen? Was könnten wir bald mal essen?“ Das zeigt, dass die Kindermeinung wichtig ist.
Noch ein paar spielerische Ideen:
- „Erzähl mir mehr“: Eine*r erzählt einen Satz aus dem Tag, und die anderen dürfen mit „Erzähl mir mehr!“ nachhaken, bis die Geschichte vollständig ist. „Reise in die Fantasie“: Jede*r darf erzählen, wohin er/sie reisen würde, wenn alles möglich wäre. (Alternativ auch “Reise um die Welt”)
- “Dankbarkeitsrunde”: Jede:r nennt eine Sache, für die er oder sie heute dankbar ist.
- Wie schon zu Beginn erwähnt, ist es total in Ordnung, wenn Kinder (auch trotz aller Bemühungen) nichts erzählen wollen. So geht es uns ja auch manchmal, oder? Oft werden die Geschichten dann zu einem anderen Zeitpunkt erzählt. Gerne beim Zähneputzen oder Zubettgehen. Kennst du das auch?
Essen nicht vergessen!
Wie man Gespräche in Gang bringen kann, weißt du jetzt. Aber manchmal muss man die Gespräche am Familientisch vielleicht eher ein wenig zügeln. Ich kenne das gut. In meiner Familie haben wir eher das Problem, dass alle gerne und viel erzählen. Es gab sogar schon Essen, bei denen wir eine Zahnputzuhr mit am Tisch hatten, damit alle etwa gleich lange erzählen durften.
Auch dabei können Rituale helfen. Jeder darf zum Beispiel am Anfang und am Ende des Essens etwas erzählen und zwischendurch wird in Ruhe gegessen. Ihr könnt auch einen Gegenstand einführen (Redestab, Erzählstein, …), der immer anzeigt, wer gerade sprechen darf. Wenn nur eine Person spricht, können die anderen in der Zeit essen. Nach ein paar Minuten wird der Gegenstand weitergegeben. Außerdem sollte man gutes Zuhören anerkennen. Das gilt übrigens für Kinder UND Erwachsene. „Danke, dass du gewartet hast.“ Zuhören und abwarten muss ja auch erst einmal geübt werden. Ab einem bestimmten Alter helfen rationale Erklärungen: Warum ist es wichtig, dass jeder zu Wort kommt, und wie sorgt gutes Zuhören für ein harmonisches Zusammensein? Solche Gespräche am Familientisch stärken das gegenseitige Verständnis und schaffen eine positive Tischkultur. Und ja, auch ein Zeitlimit und eine Stopp- oder Zahnputzuhr können helfen.
P.S.: Natürlich darf es für alles auch Ausnahmen geben und ihr müsst nicht immer zusammen und auch nicht am Tisch essen. Darüber habe ich hier schon mal geschrieben.