Gemeinsames Essen am Familientisch: Muss das immer sein?

Gemeinsames Essen am Familientisch: Muss das immer sein?

Ein Artikel von Alicia Metz-Kleine

Eine Familie am großen Esstisch. Alle sitzen zusammen, erzählen, lachen, essen, trinken. Hach. Doch in der Realität sieht es nicht immer so aus, oder? Wie ist das bei dir und deiner Familie? Ein gemeinsames Essen am Familientisch ist so ein Idealbild, das viele von uns verinnerlicht haben – dabei hängt es von so vielen Faktoren ab. Für welche Familien und Lebensmodelle ist das überhaupt passend? Und müssen wir wirklich alle immer gemeinsam am Tisch essen? Wie lernen Kinder Tischregeln? Und welche alternativen Modelle gibt es? Darum soll es heute gehen.

Arbeitszeiten, Charaktere, Lebensmodelle

Wie bereits erwähnt, passt ein gemeinsames Abendessen am Familientisch nicht zu jedem Lebensmodell. Zudem kann sich das auch immer wieder verändern – mit dem Alter der Kinder, dem Job, der Betreuungsform, ganz individuellen Herausforderungen. Und wenn es euch als Familie nicht immer gelingt, schön entspannt gemeinsam am Tisch zu sitzen, ist das nicht schlimm. So viel schon mal vorweg.

Hier kommen einige Faktoren, die unseren Alltag (und damit auch unsere Essenszeiten) beeinflussen: 

Wie arbeitest du? Wie dein*e Partner*in? Ich kenne aus meinem Bekanntenkreis soooo viele unterschiedliche Modelle. In einer Familie arbeiten beide in Schichtarbeit, in einer anderen arbeitet er Vollzeit, sie Teilzeit, in wieder einer anderen arbeiten beide voll und haben sich die Tage dementsprechend aufgeteilt. Manche müssen pendeln, andere sind nur im Homeoffice… Wie lang geht euer Kind in die Kita oder in die Schule? Gibt es dort ein warmes Mittagessen? Habt ihr Hobbies? Seid ihr in einem Verein? Oder euer Kind? Wie oft trefft ihr Freund*innen? Habt ihr abends manchmal Termine? Ich könnte die Fragenliste noch weiter führen. Aber du weißt vermutlich schon, worauf ich hinaus will. 

Das alles bestimmt unseren Tagesablauf und damit auch die Essenszeiten, Gewohnheiten und auch, wie es uns geht, wenn wir nach Hause gekommen. Manche Familienmitglieder sind vielleicht erschöpft und wollen sich einfach nur ausruhen, andere sind aufgeregt und wollen von ihrem Tag erzählen. Dazu kommen natürlich noch unterschiedliche Charaktereigenschaften, Bedürfnisse, Befindlichkeiten.

Auf den ersten Blick ist es also „nur“ ein gemeinsames Essen am Tisch, aber wie schon erwähnt, spielen dabei sehr viele Faktoren eine Rolle. Kein Wunder also, dass dieses Essen auch immer mal zu Streit, Stress oder Diskussionen führen kann.  

Kindertische, Frühstück im Bett, Couch-Picknicks & Co. – Über alternative Modelle

Hast du dir schon mal was richtig leckeres zu essen gemacht und dich dann damit auf die Couch gesetzt und dabei deine Lieblingsserie geschaut? Ja? Schön, oder? Und magst du nach einem vollen Tag manchmal gar nicht mehr reden? So geht es unseren Kindern auch. Meine große Tochter erzählt beim Essen manchmal so viel, dass man sie daran erinnern muss, auch noch zu essen. An anderen Tagen spricht sie kaum und erzählt dafür beim ins Bettbringen alles, was sie an ihrem Tag beschäftigt hat. Und manchmal hatten wir alle einen doofen Tag und das Essen wird chaotisch und anstrengend. Wir hatten aber auch schon die allerschönsten Familienabendessen, bei denen wir gelacht, erzählt und lecker dabei gegessen habe – aber das klappt eben nicht immer. 

Das sollten wir immer im Hinterkopf haben, wenn das mit dem gemeinsamen Essen gerade nicht so gut klappen will. Bevor Druck und Zwang entsteht, ist es besser, sich gute Alternativen oder Ausnahmen zu überlegen.

Als während der ersten Coronazeit alles geschlossen war und wir kaum Freund*innen gesehen haben, haben wir uns zwei kleine Rituale ausgedacht, die wir alle so mögen, dass wir sie bis heute beibehalten haben: 1. die Pizza-Couch-Party (die manchmal auch eine Fingerfood-Couch-Party ist) jeden Freitag und das schicke Essen, das sich meine große Tochter ausgedacht hat und das wir nur ab und zu machen. 

Pizza-Couch-Party

Wir machen Freitagnachmittags gemeinsam Pizza, die Kinder bereiten später die Couch vor (mit einer Decke, die dreckig werden darf) und dann essen wir zusammen auf der Couch die Pizza und gucken 1-2 Folgen einer Serie, z.B. Sendung mit der Maus, Löwenzahn, Checker Tobi, JoNaLu, Trudes Tier etc. Zwischendurch wird natürlich auch gequatscht. Und manchmal schauen wir auch einen Film.

Das ist ein schöner Wochenabschluss und wir alle lieben das.

Schickes Essen

Beim schicken Essen muss der Tisch schön gedeckt werden. Das machen manchmal wir Eltern und manchmal die Kinder (kommt natürlich auch auf das Alter an). Und auch das Essen soll schick sein, dabei muss es aber gar kein aufwändiges oder besonderes Essen sein. Bei uns gab es auch schon Nudeln mit Tomatensauce, die ich aber schön angerichtet habe. Außerdem gibt es dann auch immer eine kleine Vor- und Nachspeise. Und ein weiteres Highlight: jedes Familienmitglied muss sich „schick“ anziehen. Es ist wirklich immer ein großer Spaß und ein bisschen wie ein Restaurantbesuch. 

Solche Ausnahmen können das gemeinsame Essen am Tisch entspannen – für alle. So klappt es an den anderen Tagen dann oft wieder besser. 

Hier kommen noch mehr Ideen für neue Rituale und (einmalige oder regelmäßige) Ausnahmen:

Warum am Wochenende nicht mal im Bett frühstücken? Macht Spaß, ist gemütlich und mit Decke und/oder Tablett gibt es auch keine so große Sauerei 😉

Unsere Couch-Party kann natürlich auch ein sonntägliches Couchfrühstück sein oder ein Snackteller, der nachmittags gemütlich auf der Couch gegessen werden darf. Alternativ kann man so ein Picknick natürlich auch mit Picknickdecke in jedem Zimmer auf dem Boden machen. Oder ein Picknick in einer selbstgebauten Höhle und dabei Hörspiel hören. Und ich habe sogar schon von einem Picknick in der Badewanne (ohne Wasser) gehört. 

Apropos Picknick – Im Frühling und Sommer kann man auch immer mal draußen essen. Schnappt euch spontan alles für eine Brotzeit und radelt in den Park. Das ist echt schön und auch unter der Woche eine tolle Abwechslung. 

Die Kinder haben heute gar keine Lust zusammen am großen Tisch zu essen? Stell doch mal einen Kindertisch auf. Vielleicht ein Maltisch oder einen vom Balkon. Dieser kann entweder neben dem großen Erwachsenentisch stehen oder auch in einem anderen Raum. Ist ein echtes Highlight. 

An solchen Tagen ist es auch in Ordnung, wenn jede*r mal seins/ihrs macht. Das Kind isst in seinem Zimmer und hört dabei Hörspiel? Ok. Die Erwachsenen essen viel später und alleine? Auch ok. Was immer für euch passt. (Das hängt natürlich auch stark vom Alter der Kinder ab)

Wer sagt eigentlich, dass man immer AUF dem Tisch essen muss? Meine Töchter haben auch schon unter dem Tisch gegessen oder mit dem Teller auf dem Stuhl. Weil sie gerade so im Spiel waren. Sie haben so gut gegessen, wir konnten auch in Ruhe essen und es gab keine Diskussion – winwinwin. Bevor du das nächste Mal vorschnell nein sagst, überlege kurz, ob es wirklich so schlimm wäre? Die meisten Ausnahmen sind total in Ordnung.

Essen mit Freund*innen. Erwachsene verabreden sich auch oft mit Freund*innen zum Essen. Weil es schön ist, zusammen zu sitzen, gemeinsam lecker zu essen und dabei zu quatschen. Und auch den meisten Kindern macht es total Spaß, zusammen zu essen. Wenn es bei euch möglich ist, erlaubt doch das nächste Mal, dass das Besuchskind noch bis zum Abendessen bleiben darf. 

fraulea hat das gemeinsame Familienabendessen am Tisch sogar komplett abgeschafft. Total spannend. Hier schreibt sie mehr darüber. 

Gemeinsame Zeit und Tischregeln

„Aber das ist der einzige Moment am Tag, an dem wir uns alle sehen.“ – dieses Argument höre ich oft und kann ich auch total gut verstehen. Das ist bei uns nämlich auch manchmal so. ABER hat man wirklich etwas von der gemeinsamen Zeit, wenn sie erzwungen ist und dann wahrscheinlich gar nicht so schön wird? Vielleicht gibt es dann auch mal einen anderen Zeitpunkt, an dem man sich treffen kann? Wie wäre es mit einem sonntäglichen Mittagessen – wenn alle mehr Zeit haben? Oder einem großen gemeinsamen Familienfrühstück samstags? Oder oder oder … 

Und ich spreche ja auch bewusst von Ritualen und Ausnahmen. Ihr könnt als Familie natürlich auch weiterhin an den meisten Tagen zusammen am Tisch essen, ich plädiere nur dafür, diese Lösungen auszuprobieren, wenn es mal nicht so gut klappt. 

Denn natürlich ist das gemeinsame Essen am Familientisch auch etwas sehr schönes! Gemeinsames Essen dient ja nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern hat auch soziale und emotionale Aspekte. Gemeinsames Essen sollte Spaß machen und eine schöne Erfahrung sein – für alle. Darüber habe ich hier auch schon mal geschrieben. 

Ach, und wegen der Tischregeln musst du dir sowieso keine Gedanken machen. Die lernen Kinder sehr schnell und quasi nebenbei. Entweder sie schauen es sich von euch ab oder im Kindergarten von Gleichaltrigen. Und das alles verlernen sie auch nicht wieder, nur weil ihr mal auf der Couch esst oder andere individuelle Lösungen für euch findet. 🙂

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