Über gesunde Kinderernährung und den Umgang mit Zucker
Ein Artikel von Alicia Metz-Kleine
Bio? Vegetarisch? Zuckerfrei? Was heißt das überhaupt? Ist in den Keksen Zucker? Und wann ist das erste Eis in Ordnung? Was ist denn gesunde Kinderernährung? Puh. Wie bei fast allen Kinderthemen (schlafen, stillen, tragen & co.) gehen die Meinungen auseinander und es ist gar nicht so leicht, (s)einen eigenen Weg zu finden. So ging es mir zumindest – obwohl ich mich sogar beruflich mit gesunder Ernährung beschäftige. 6 Jahre, 2 Kinder und viele Coachings und Workshops später, habe ich meinen Weg gefunden. Heute möchte ich meine Erfahrungen und ein paar Tipps rund um das Thema Zucker mit dir teilen.
Was heißt eigentlich „zuckerfrei“?
Als ich mich in meiner Ausbildung zur Ernährungscoachin (IHK) zum ersten Mal mit dem Thema Zucker beschäftigt habe, hat mich das ganz schön erschlagen. So viele Zuckerarten gibt es? So viele Ersatz- und Austauschstoffe? Whaaat? Als meine erste Tochter dann auf der Welt war und nach einigen Monaten so langsam anfing zu essen, hat mich das Thema dann auch im Alltag beschäftigt. Was ist gut? Was schlecht? Ich wollte sie definitiv die ersten 1-2 Jahre zuckerfrei ernähren. Aber was heißt das eigentlich? Zuckerfrei bedeutet, dass sowohl Industrie- als auch Rohrohrzucker nicht auf den Speiseplan stehen. Natürliche Süßungsmittel, wie Datteln, Bananen und Apfelmus gab es trotzdem bei uns. Von daher wäre der richtige Begriff eigentlich „zuckerarm“.
So oder so – Alle Babys und Kinder mögen süß.
Kleiner Exkurs: Warum ist das eigentlich so?
Es ist tatsächlich so, dass Kinder Süßes bevorzugen. Babys kommen bereits mit der Vorliebe für süßen Geschmack auf die Welt und auch die Muttermilch schmeckt süßlich. Doch woher kommt das? Unsere Vorfahren waren sehr viel stärker auf ihren Geschmackssinn angewiesen als wir heute. Sie nutzten ihn als Sensor: giftige Pflanzen schmecken oft bitter, Saures ist häufig unreif, aber der süße Geschmack signalisierte urzeitlichen Jägern und Sammlern ausschließlich Positives. Diese evolutionär vererbte Geschmacksvorliebe prägt bis heute unsere Essgewohnheiten, obwohl sie in unserer Lebenswelt nicht mehr nötig ist.
Zurück in die Gegenwart: Warum mein Kind zuckerarm gegessen hat
Die meisten Mütter fangen schon in der Schwangerschaft an, sich mit gesunder Ernährung zu beschäftigen, schließlich isst das Kind ja schon mit. Wenn es dann auf der Welt ist und anfängt zu essen, spielt das Thema häufig eine noch größere Rolle. Bei mir war das ja schon durch meinen Beruf bedingt so. Aber generell müssen Eltern sich heute sehr viel mehr (und früher) mit dem Thema Kinderernährung auseinandersetzen, als noch vor einigen Jahren. Denn heute weiß man, wie ungesund Zucker ist und welche Auswirkungen eine ungesunde Ernährung haben kann. Laut aktuellen Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO/Europa) ist bereits jedes 3. Kind in Deutschland übergewichtig. Bei Zucker ist vor allem das Problem, dass wir ihn quasi nicht nicht zu uns nehmen können. Er steckt morgens im Müsli, im Fruchtsaft zwischendurch und sogar in der Pizza abends. Und genau dieser versteckte Zucker ist auch das größte Problem.
Ein paar Zucker-Facts für gesunde Kinderernährung für zwischendurch:
- Die Deutschen verbrauchen etwa 32 Kilogramm Zucker pro Kopf und Jahr, das sind ca. 90 Gramm Zucker pro Tag und damit rund doppelt so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für vertretbar hält.
- Die Empfehlung des Robert Koch Instituts für die Menge an Süßigkeiten, gesüßten Müslis oder Limonade pro Tag liegt bei maximal 10 Prozent der Gesamtenergie. Kinder nehmen im Alltag aber teilweise mehr als das Dreifache zu sich.
- Rund 80 Prozent der Lebensmittel im Supermarkt enthalten Zucker. Künstlich zugesetzter Zucker ist heute ein Bestandteil vieler industrieller Lebensmittel und Getränke.
- Kinder essen im Durchschnitt 35 kg Zucker (2015) pro Jahr. 1985 waren es noch 17 kg.
- Krankheiten wie Karies, Fettsucht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Gicht und sogar Osteoporose und manche Krebsarten auf eine falsche Ernährung und einen erhöhten Zuckerkonsum zurückgeführt. Es gibt auch immer mehr Kinder, die schon unter Bluthochdruck leiden.
- Zucker steckt übrigens deshalb in so vielen Lebensmitteln, weil er nicht nur als Süßungsmittel, sondern unter anderem auch als Geschmacksverstärker und Konservierungsmittel dient.
- Was macht Zucker? Kurz gesagt: Zucker in Schokolade und anderen süßen Versuchungen steigert den Blutzuckerspiegel nur kurzzeitig. Daher verbessert er auch nur für kurze Zeit die Konzentration. Sehr schnell setzt wieder das Hungergefühl ein. Süßigkeiten wie Schokolade oder Kekse haben viele Kalorien, es fehlt aber an Ballaststoffen und Volumen.
Es gibt also viele gute Gründe, weshalb meine Tochter in den ersten Jahren zuckerarm gegessen hat. Denn natürlich will ich, dass meine Kinder gesund aufwachsen – so wie vermutlich alle Eltern. Und dazu gehört eben auch eine ausgewogene gesunde Ernährung. Kinder brauchen für ihre körperliche und geistige Entwicklung sowie für die Stärkung ihres Immunsystems eine optimale Versorgung mit allen Nährstoffen, vor allem in der Wachstumsphase. Außerdem wird die Grundlage für die spätere Ernährung tatsächlich in den ersten drei Lebensjahren gelegt. Diese frühen Prägungen lassen sich später nur sehr schwer ändern. Um zu verstehen, wie sehr das Essen der Kindheit prägt, kannst du selbst mal eine kleine Übung machen und an das Essen deiner Kindheit denken. Du wirst sehen, wie wichtig manche Geschmäcker, Gerüche und Gerichte sind und wie sehr sie emotional mit Erlebnissen und Erinnerungen verknüpft sind. Oder?
Für Kleinkinder in den ersten zwei Lebensjahren sollte man also wirklich eine (möglichst) zuckerarme Ernährung bevorzugen. Die kann dann natürlich nach und nach gelockert werden. Wie bekommt man das am besten hin? Und wie findet man eine gute Balance, ohne Verzicht?
Vorbild sein statt verbieten – und andere Tipps für den Alltag für eine gesunde Kinderernährung
So ungesund Zucker auch ist, ihn ganz zu verbieten ist nicht der richtige Weg. Verschiedene Studien der Universitäten Wageningen und Maastricht haben gezeigt, dass Kinder, denen Süßigkeiten strikt verboten werden, sehr viel Süßes essen, sobald sie die Möglichkeit bekommen. Im Gegensatz dazu greifen Kinder, die in Maßen Süßigkeiten essen dürfen, sehr ausgeglichen zu Obst und Gemüse.
Langzeitstudien haben außerdem gezeigt, dass Verbote aus der Kindheit das Essverhalten noch bis ins Erwachsenenalter beeinflussen. So führen strikte Süßigkeitenverbote in der Kindheit, häufig zu einem hohen Süßigkeitenkonsum im Erwachsenenalter. Wichtiger als Verbote, sind also gesunde Alternativen und gute Vorbilder. So können Kinder ein gesundes Verhältnis zu Süßigkeiten entwickeln.
Tipps für den Alltag für eine gesunde Kinderernährung:
- Es sollte immer reichlich Obst Zuhause sein.
- Nimm gesunde Snacks mit.
- Erlaube gelegentlich Süßes. So entsteht kein Verzichtsgefühl.
- Süße ganz natürlich: Es gibt sehr viele Süßspeisen, Snacks und Desserts, die man mit Früchten oder alternativen Süßungsmitteln süßen kann. Empfehlungen: Trockenfrüchte, Bananen, Apfelmus, Kokosblütenzucker, Erdmandeln, Reissirup, Ahornsirup, Honig
- Und auch hier gilt (leider ;)): Kinder ahmen das nach, was sie bei uns Großen sehen und übernehmen gute (wie auch schlechte) Gewohnheiten.
- Selbstgemachte (!) Smoothies sind eine tolle Möglichkeit, um Kindern Obst und Gemüse schmackhaft zu machen.
- Lies die Zutatenliste (wirklich!) und achte dabei auf versteckten Zucker, Fett, Salz und Zusatzstoffe – Es gibt übrigens Apps, die dabei helfen, die Inhaltsstoffe zu lesen & zu verstehen: z.B.: Codecheck, das-ist-drin, aid-App “E-Nummern-Finder”
- Kaufe im besten Fall saisonales Obst und Gemüse und achte auf die Reife. Reifes Obst ist nämlich süßer.
- Kaufe Trockenfrüchte am besten immer ungeschwefelt.
- Esst wenig stark verarbeitete Lebensmittel.
Wenn du und der Rest der Familie sich relativ gesund und ausgewogen ernährt und du deinem Kind vorlebst, dass Süßigkeiten und zuckerhaltige Lebensmittel eher die Ausnahme als die Regel sind, hast du schon ganz schön viel richtig gemacht. Noch eine letzte Sache, die ganz wichtig ist: Arbeite nie mit Druck oder Zwang, aber mach immer Angebote. Essen darf und soll Spaß machen!
P.S.: Beim zweiten Kind läuft das mit der gesunde Kinderernährung übrigens nochmal ein bisschen anders 😉 Kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Aber das ist eine andere Geschichte.