Zuckerfrei oder Zucker frei? Ein Update

Zuckerfrei oder Zucker frei? Ein Update

Ein Artikel von Alicia Metz-Kleine

In meinem ersten Artikel für Neulich am Familientisch ging es um gesunde Kinderernährung und den Umgang mit Zucker. Darin habe ich damals schon geschrieben, dass ein Süßigkeitenverbot meist nicht der richtige Weg ist. Aber wie geht man im Alltag damit um? Was passiert, wenn Kinder freien Zugang zu Süßigkeiten bekommen? Und macht Zucker Kinder eigentlich hyperaktiv? Um all diese Fragen soll es heute gehen. Außerdem habe ich inzwischen auch einige neue Erkenntnisse zu dem Thema gelesen und meine Meinung ein Stück weit geändert. Es ist also Zeit für ein Zucker-Update.

Einerseits

Googelt man „Kinder und Zucker“ gibt es ungefähr 21.300.000 Ergebnisse. Die meisten Artikel und Seiten zeigen die schlechten Seiten von Zucker und die böse Industrie – und man liest von alarmieren Zahlen. Krankheiten wie Karies, Fettsucht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Gicht und sogar Osteoporose und manche Krebsarten auf eine falsche Ernährung und einen erhöhten Zuckerkonsum zurückgeführt. Es gibt auch immer mehr Kinder, die schon unter Bluthochdruck leiden und immer mehr dicke Kinder. Zucker macht Kinder krank, dick und dumm. Das ist jetzt sehr überspitzt formuliert, fasst es aber doch zusammen.

Die Deutschen verbrauchen knapp 35 Kilogramm Zucker pro Kopf und Jahr (...) und damit rund doppelt so viel, wie die Welt­gesund­heits­organisation (WHO) für vertretbar hält.

— Statista

Die Deutschen verbrauchen knapp 35 Kilogramm Zucker pro Kopf und Jahr (laut Statista waren es im Jahr 2021/22 34,8 Kilogramm), das sind ca. 95 Gramm Zucker pro Tag und damit rund doppelt so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für vertretbar hält.

Und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehlen, dass Kinder weniger als zehn Prozent ihrer täglichen Energiezufuhr durch Zucker (Zucker, der Lebensmitteln zugesetzt wird sowie der Zuckergehalt in Honig und Säften) abdecken sollten. Der Berufsverband für Kinder- und Jugendärzte empfiehlt es alltagstauglicher: Kinder sollten maximal 25 Gramm Zucker (6 TL) pro Tag zu sich nehmen. Das liegt deutlich unter der tatsächlichen Verzehrmenge. Die Verbraucherorganisation foodwatch fordert zudem umfassende Werbebeschränkung für Kinderlebensmittel. Der Grund: Die Lebensmittelindustrie macht große Profite mit Limonaden und Süßwaren und macht deswegen gezielt Werbung für Kinder.

Dazukommt, dass in vielen Produkten Zucker steckt, von denen man es gar nicht erwartet. Denn Zucker ist günstig, konserviert und wirkt auch als Geschmacksverstärker. Die Lebensmittelindustrie nutzt ihn also gerne. Dadurch kann es schnell passieren, dass man unbewusst sehr viel mehr Zucker konsumiert.
Und trotz dieser Fakten gibt es noch eine andere Sichtweise…

Andererseits

Kein Druck, kein Zwang, dafür Gelassenheit und selbstbestimmtes Essen – das ist so wichtig beim Thema Essen. Ernährung ist ein emotionales Thema und Essen nicht nur Nahrungsaufnahme. Aber wie ist es beim Thema Zucker? Wie sieht es da aus mit Selbstbestimmung, Fremdregulation und Macht? Und wieso wird Industriezucker so arg verteufelt? Bei Quetschies, Smoothies und Fruchtsäften sind viele Eltern hingegen sehr entspannt. Obwohl Fruchtzucker nicht gesünder ist. Und auch Weißmehlprodukte werden nicht stark reguliert. Ist das sinnvoll und wieso wird so stark unterschieden? Es ist zum Beispiel sehr viel sinnvoller und gesünder, auf stark verarbeitete Produkte zu verzichten. Wenn wir mehr natürliche Produkte essen, können wir sehr viel intuitiver essen und Hunger und Sättigung besser wahrnehmen. Das gilt auch für Kinder.

Es kann also ein Ansatz sein, auch bei Zucker mehr auf Selbstbestimmung zu setzen. In manchen Familien gibt es beispielsweise eine frei zugängliche Snackschublade, in der neben ausgewogenen Snacks auch Süßigkeiten sind. Auch wenn der Zucker freigegeben wird darf es übrigens Regeln oder Abmachungen geben, z.B.: Direkt vor dem Abendessen oder Schlafengehen nicht! Viele Eltern, die Zucker freigeben berichten davon, dass es erstmal ein paar Wochen dauert, bis sich das Kind selbst reguliert. Da brauchen Erwachsene sehr viel Geduld.

Kleiner Exkurs: Wie reagieren Kinder auf Zucker?

Bei manchen Kindern hat man das Gefühl, dabei zu schauen zu können, wie der Körper auf den Zucker reagiert. Und wenn man mal einen Kindergeburtstag beobachtet hat, ist man sich ganz sicher: Zucker dreht Kinder auf. Aber stimmt das wirklich? Nein. Tatsächlich ist es so das inzwischen mehrere Studien widerlegt haben, dass Zucker hyperaktiv macht. Trotzdem berichten viele Eltern, dass sie das Gefühl haben, dass ihre Kinder auf Zucker reagieren. Kennst du das auch? Woran liegt das? Es wird vermutet, dass das unter anderem an der Erwartungshaltung liegen könnte und auch an den Situationen, in denen viel Zucker konsumiert wird. Wenn an Geburtstagen, Ostern, Weihnachten oder anderen Festen viel Zucker gegessen wird, ist ja auch die Situation an sich schon aufregend und besonders. Kein Wunder, dass Kinder dann aufgedreht sind.

Und jetzt?

Zucker ist ein wirklich komplexes Thema, das von vielen Faktoren abhängt. Wie alt sind die Kinder? Und wie reagieren sie auf Zucker? Wie ernähren sie sich sonst? Gibt es viele Diskussionen und Streit deswegen? Manche Kinder, wie auch Erwachsene, mögen Süßes extrem gern, andere nicht. Es spielt auch eine Rolle, ob es Geschwister gibt. Deswegen ist es sinnvoll zu schauen, was für euch und eure Familie passt.

Klar ist jedoch: Eine starke Fremdregulation kann nicht die Lösung sein und fördert häufig eine ungesunde Beziehung zum Essen. Strikte Verbote und Schuldgefühle können sogar zu Diäten und Essstörungen führen. Zudem kommen Kinder früher oder später sowieso in den Kontakt mit Süßigkeiten und Co. (Geschwisterkinder sehr viel früher) und etwa ab dem Grundschulalter können sie sich auch selbst vieles kaufen. Es ist also gut, wenn sie langfristig eine gesunde Beziehung zu Essen und ihrem Körper aufbauen. Dass sie intuitiv spüren, was ihnen gut tut. Durch einen entspannten Umgang mit Süßigkeiten lernen Kinder, dass es auch solche Angebote gibt, die ein Teils des Essens sein können. Sie sollten aber keine besondere Attraktion oder Belohnung sein.

Und noch ein kleiner Zusatz

Zudem gibt es noch andere Themen, die mit Ernährung zu tun haben und unserem Umgang damit beeinflussen. Woher kommen bestimmte Körperbilder und Schönheitsideale? Welche Glaubenssätze stecken dahinter? Geht es wirklich um Gesundheit bei manchen Argumenten? Wir leben in einer Gesellschaft, in der es eine riesengroße Industrie (Diät,- Beauty-, Mode- & Wellness) gibt, die davon lebt, dass Menschen sich nicht schön finden. Eine Industrie, die will, dass wir uns in unseren Körpern nicht wohlfühlen. Übergewicht kann ungesund sein, ja. Diäten und Essstörungen sind es aber auch.

Es ist so wichtig, dass es endlich ein diverseres Bild von Schönheit gibt, die Akzeptanz verschiedener Körperformen und dass Kindern keine falschen Körperideale vermittelt werden. Menschen sind unterschiedlich, Kinder auch. Es gibt dicke, ungesunde Menschen und dünne, ungesunde Menschen. Das Gewicht sagt aber erstmal nichts über die Gesundheit oder die Fitness aus.

Ein paar Ideen:

  • Probiert aus, was für euch als Familie funktioniert. Ändert und testet ruhig auch mal und sprecht mit euren Kindern darüber.
  • Die Grundlage sollte weiterhin eine vollwertige und vielfältige Ernährung sind.
  • Bietet immer wieder ausgewogene Snacks an
  • Hinterfragt Glaubenssätze!
  • Seid gelassen und habt Vertrauen in eure Kinder

 

Das alles gilt natürlich nur für gesunde Kinder. Gibt es Unverträglichkeiten oder Krankheiten, kann man Zucker nicht einfach frei zu Verfügung stellen – das gilt dann aber auch für andere Lebensmittel.

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