Das ist (un)gesund – Wie wir mit Kindern über Essen sprechen

Das ist (un)gesund – Wie wir mit Kindern über Essen sprechen

Ein Artikel von Alicia Metz-Kleine

Ich will in diesem Artikel darauf eingehen, warum wir Lebensmittel nicht in gesund und ungesund einteilen sollten und wie wir stattdessen mit Kindern über Essen sprechen können. Und das hat auch viel mit Glaubenssätzen zu tun. Fangen wir also damit an. 

„Noch ein Schokoriegel? Nein, das ist nicht gut für dich.“ „Wenn du noch ein bisschen Rohkost isst, bekommst du deinen Nachtisch.“ „Nein, das kaufen wir nicht. Das ist ganz ungesund.“ „Ich habe heute ganz viel Sport gemacht, da darf ich mir das Spaghettieis gönnen.“ Na, habt ihr den ein oder anderen Satz schon mal gesagt? Oder gedacht? Also ich schon. Früher, weil ich es nicht besser wusste. Aber auch heute, wo ich es besser weiß, rutschen mir manchmal noch Kommentare raus, die in diese Richtung gehen. Weil ich vielleicht gerade gestresst bin oder weil ich keine Kapazitäten für Diskussionen haben. Oder einfach, weil ich gerade nicht drüber nachgedacht habe und manche Glaubenssätze tief sitzen. Damit wären wir auch schon beim ersten Punkt für das heutige Thema. 

Was habe ich gelernt? Wie bin ich aufgewachsen? Was hat mich geprägt? Über Glaubenssätze.

Was bei diesen Thema eine ganz große Rolle spielt, ist das Hinterfragen der eigenen Glaubenssätze. Was ist gesund? Was nicht? Warum wird etwas wie eingeteilt? Und welche Rolle spielt das für uns? Woher kommen diese Glaubenssätze?

Über Glaubenssätze und ihre Bedeutung habe ich hier bereits geschrieben. Es prägt Kinder, wie Erwachsene mit Essen umgehen, was sie selbst essen und welche Lebensmittel eingekauft werden. Die meisten von uns sind also mit einer bestimmten Vorstellung von gesunden und ungesunden Lebensmitteln aufgewachsen. Mit Kommentaren und Gesprächen über Essen und Gewicht. Dazu kommen auch mediale Trends und aktuelle Studien. In manchen Jahren wurde Fett verteufelt, in anderen Weißmehl oder Zucker. Milch galt lange Zeit als unglaublich wichtig und gesund. Und natürlich prägt uns auch das. Was wird in der Werbung gezeigt? In Serien und Filmen? Was essen Freund:innen? 

Oft fängt man erst im Erwachsenenalter damit an, diese Prägungen und Sätze wo richtig zu hinterfragen und eventuell auch neu zu bewerten und zu erlernen. Häufig passiert das mit der Geburt der eigenen Kindern. Bei uns war das so. Plötzlich achtet man viel bewusster darauf, was eingekauft wird, welche Lebensmittel auf dem Tisch stehen und auch auf das, was man selbst isst. Und auch wenn wir Eltern natürlich alle das Beste für unsere Kinder wollen und sie deswegen mit gesunder Ernährung aufwachsen sollen, ist es nicht gut, ihnen diese Einteilung mitzugeben….  

Mit Kindern über Essen sprechen ohne Einteilung! Ungesund/gesund, schlecht/gut, verboten/erlaubt…

Bis zu einem bestimmten Alter (etwa Grundschule) ist die Einteilung in gesund und ungesund viel zu komplex. Kinder können mit dieser Information nicht wirklich etwas anfangen. Wir sollten aber auch keine einfacheren Begriffe wie gut oder schlecht benutzen. Denn wollen wir wirklich, dass ein Kind denkt, Zucker sei richtig schlecht? Das wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass es immer mit Scham und einem schlechten Gewissen etwas Süßes ist. Wie traurig. Und langfristig natürlich auch ungesund. 

Diese Einteilung sorgt dafür, dass wir weniger Spaß am Essen haben. Es gibt dadurch Lebensmittel, die man essen muss (die aber langweilig sind oder nicht schmecken) und Lebensmittel, die ungesund sind (aber megalecker). Lebensmittel, die man sich nur ab und zu gönnt und manchmal sogar nur mit schlechtem Gewissen („sündigen“). 

Dazu gehört zum Beispiel auch, dass es Nachtisch erst nach der Hauptmahlzeit gibt. Wieso? Na klar, aus einer vernünftigen erwachsenen Sicht verstehe ich die Beweggründe. Trotzdem teilt diese Regel Lebensmittel ganz automatisch in gesund und ungesund ein. In Pflicht und Kür. In „muss ich essen“ und „darf ich essen“. 

Als Erwachsene wissen und verstehen wir natürlich, dass manche Lebensmittel wichtiger und besser für den Körper sind als andere. Ganz klar. Aber dieses Wissen können wir auch anders vermitteln. 

Wie toll ist es, wenn alle Lebensmittel in Ordnung sind? Wenn man Spaß hat am Ausprobieren. Wenn man merkt, dass alles megalecker sein kann. Und man sich nichts „verkneift“ oder „erlaubt“. 

Besser: Kindgerecht Dinge erklären

Kinder bekommen solche Einteilungen natürlich trotzdem mit – bei Freund:innen, aus der Schule und dem Kindergarten. Wir können das dann erklären und sie mit Informationen unterstützen. 

Lebensmittel sind erstmal einfach nur Lebensmittel und es gibt unendlich viele. Und diese Vielfalt ist wunderbar, denn so können ganz unterschiedliche Funktionen und Bedürfnisse erfüllt werden. Wir können unseren Kindern erklären, welche Geschmacksrichtungen es gibt, dass stark verarbeitete Lebensmittel komplizierter für unseren Körper sind und unser Körper es mag, wenn wir möglichst bunt essen. (Mehr dazu im Artikel „Eat the rainbow“). Und hier kommen noch mehr Tipps, wie wir über Essen sprechen können und Dinge, die wir tun können, um eine ausgewogene Ernährung zu unterstützen: 

  • Das Wort gesund durch ausgewogen ersetzen 😉
  • Erklären, dass bestimmte Lebensmittel unterschiedliche Funktionen im Körper und für unser Leben haben – Etwas Süßes kann uns Freude machen und ein richtiger Genuss sein. Nudeln oder Kartoffeln sättigen uns. Obst liefert wichtige Vitamine. Und und und…
  • Stärken der Lebensmittel hervorheben – Manche Lebensmittel sind richtige Superheld:innen. Sie machen uns schlauer, stärker, schneller… In „Einmal kochen, alle happy“ gibt es übrigens eine gute Übersicht über alle Nährstoff-Held:innen.
  • Erklären, warum man etwas nicht kaufen möchte (z.B. saisonale Gründe, Tierleid…- das wird oft schon viel früher verstanden, als wir denken). Meine Tochter hat schon sehr früh verstanden, warum ich keine herkömmlichen Gummibärchen kaufen will, nachdem ich ihr kindgerecht erklärt habe, was Gelatine ist.
  • Kinder einbeziehen – in die Planung, den Einkauf, die Zubereitung… Mehr dazu in diesem Artikel 
  • Weiterhin alles anbieten – Zum Beispiel einen Snackteller mit Süßigkeiten, Obst, Trockenfrüchten und salzigen Snacks füllen. Bei uns wird dann (fast) immer alles gegessen. 
  • Wenig stark verarbeitete Lebensmittel kaufen – lieber selbst machen.
  • Gelassen sein und Vertrauen haben und die Atmosphäre am Familientisch möglichst entspannt gestalten.
  • Nicht mit strikten Verboten arbeiten, es darf auch mal was gekauft werden, was stark verarbeitet ist und viel Zucker/Fett/Farbstoffe etc. enthält.
  • Niemand muss Dinge essen, die ihm/ihr nicht schmecken oder die sich nicht gut anfühlen. Lieber Kompromisse finden.
  • Das Körpergefühl stärken und unterstützen.
  • Essen und Körper nie kommentieren (auch nicht positiv). 

Und trotzdem dürfen wir als Eltern natürlich auch Grenzen setzen und es darf individuelle Familienregeln geben. Wenn man beispielsweise nicht will, dass 5 Minuten vor dem Abendessen etwas Süßes gegessen wird, ist das in Ordnung. Zudem fällt es manchen Kinder sehr schwer, sich beim Essen selbst zu regulieren und natürlich muss man das dritte Eis nicht erlauben. Aber auch diese Grenzen und Regeln kann man erklären, ohne dass man auf die gesund/ungesund-Einteilung zurückgreift. 

Wenn Kinder verstehen, wozu etwas gut ist und was der Körper alles braucht, hört dieses Einteilen auf und man kann das große Ganze sehen. Zum Beispiel: „Ich kann Süßigkeiten und Snacks essen. Damit mein Körper weiterhin alles bekommt, was er braucht, reicht das aber nicht. Also esse ich auch noch andere Sachen.“ Diese Balance ist so wichtig! Das sollten auch wir Erwachsenen uns merken. Es kommt immer auf die Mischung an und es gibt auch noch andere Dinge, die wichtig sind für eine gesunde Lebensweise und einen gesunden Körper: Mentale Gesundheit, Genuss, Freude, Bewegung, Entspannung, Geselligkeit, Schlaf etc. Auch das können wir unseren Kindern mit auf den Weg geben und altersgerecht erklären. 

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, denn ich habe das hier schon so oft in meinen Artikeln geschrieben, aber es ist eben so so wichtig. Essen darf und soll Spaß machen! Wichtige Zutaten am Familientisch sind Geduld, Gelassenheit und Vertrauen. Druck, Kontrolle, Kommentare, Scham und Verbote haben dort nichts verloren. Das ist wichtiger für eine langfristige gesunde Beziehung zum Thema Ernährung, als nur „gesunde“ Lebensmittel.

P.S.: Was in diesen Zusammenhang auch eine große Rolle spielt, ist unser Umgang mit Körpern – mit Körperbildern und Körperformen. Das würde hier an dieser Stelle zu weit führen. Aber wir sollten uns auch immer wieder fragen, warum wir uns darum sorgen, dass das Kind vielleicht etwas „zu viel“ wiegt? Welche Gründe stecken wirklich dahinter? Über das Thema habe ich hier ja auch erst geschrieben. 

2023 gab es eine neue Studie der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), aus der hervorgeht, dass Essstörungen bei Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren von 2012 auf 2022 um 54 Prozent angestiegen sind. Dafür gibt es natürlich eine Vielzahl an Gründen (Social Media spielt beispielsweise auch eine sehr große Rolle), aber auch starke Regulation und Fremdbestimmung bei der Ernährung können das Thema begünstigen. 

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